Wir haben auf dem Sonnenberg in der Laustraße 16 gewohnt, der heutigen Vollandstraße. Zu jener Zeit, von der ich berichte, hieß die heutige Laustraße Adolf-Hitler-Straße.
Am 7. März 1943 ist meine Konfirmation gewesen, wenige Tage vor dem schweren Luftangriff vom 11. März 1943. Es war ein wunderbares, fröhliches und unbeschwertes Fest mit lieben Gästen. Ich habe es sehr schön in Erinnerung behalten. Auch die Schwester meiner Mutter aus Jena, meine Patentante, war da. Am Abend jedoch gab es Fliegeralarm und wir schlugen ein allgemeines Nachtlager auf Couchen und Sofas und Matratzen für die Gäste auf, die selbst in Stuttgart nicht mehr nach Hause fahren konnten. Ich fand es wunderbar, dass wir so einen Betrieb hatten.
Immer wieder hatte es seit etwa zwei Jahren nächtliche Luftalarme gegeben. Das war quälend. Oft ging man aber erst in den Keller, wenn man Motorenlärm oder die Flak hörte. Dann aber schnell. Echte Schutzräume waren das nicht. Ganz normale Untergeschossräume, die oft nicht mal gewölbt waren. Unserer auch nicht. Also musste jedes Haus einen Kellerraum als Luftschutzraum aufrüsten. Dafür wurde die Decke notdürftig mit Holzbalken und Stützen stabilisiert. „Absprießen“ nannte man das. Die Behörde hat das sogar kontrolliert. Ich glaube, dies war sogar schon bald nach Kriegsbeginn. Auch wurde für jeden Hausbewohner eine Gasmaske in einem umhängbaren Blechbehälter ausgeteilt. Das Aufsetzen und Ausprobieren dieses Objekts war aber so unheimlich und beängstigend, dass es nicht einmal uns Kinder zum Spaßmachen hat anregen können. Diese Gummikappe umhüllte das ganze Gesicht, hatte große Augengläser und vor Mund und Nase war ein riesiger runder Filter aus Metall. Das Atmen ging schwer. Ein großes Glück, dass niemals Giftgas bei den Angriffen eingesetzt worden ist und das Gummizeug vor sich hat hin altern können.
Waren Flugzeuge zu hören, setze sofort das Schießen der nahen Flak (Fliegerabwehrkanone) ein. Die war stationiert in der sogenannten „Tränke“ unweit entfernt vom Sonnenberg. Diese heftige Knallerei war beängstigend, und ich erinnere mich deutlich, wie ich vor Angst zu zittern begann. Damals in diesen ersten Jahren trug ich bei Fliegeralarmen immer meinen noch ganz neuen Trainingsanzug, auf den ich eigentlich sehr stolz gewesen bin. Aber der Geruch dieses Stoffes war dann ewig mit der Aufregung verbunden. Der Schulbeginn nach einem Alarm war immer ein bis zwei Stunden später. Ausgeschlafen war man nicht.
Luftschadenkarte 11.03.1943. Im Kreis das Haus der Familie Haeberle in der (damaligen) Laustraße 16. Im Viereck die foto-grafierten Nachbarshäuser in der (damaligen) Bismarckstra-ße. Quelle: Stadtarchiv Stuttgart
Was aber eine kindliche Sammelsucht erweckt hat, waren die Granatsplitter der in der Luft explodierenden Flak-Geschosse. Nach solchen Nächten waren sie oft reichlich in den Gärten zu finden. Ebenso gesammelt wurden auch die abgeworfenen Stanniolstreifen. Sie sollten zur Irritation der Flak-Messgeräte führen. Manchmal sind sie an den Bäumen gehangen wie Lametta. Ich besitze noch einen solchen Streifen. Er dient mir jetzt als Buchzeichen in Heinz Barduas Buch „STUTTGART IM LUFTKRIEG 1939 – 1945“. Genauso erinnere ich mich an Flugblätter, die man im Garten und auf den Wiesen gefunden hat. Diese hatten etwas besonders Unheimliches, weil sie eine unmittelbare Nachricht vom Feind enthielten. Sie waren mit unterschiedlichen Texten versehen, die die Bevölkerung zum Defätismus anstiften sollten. An einen schmalen Streifen beispielsweise erinnere ich mich mit Zeichnungen von Churchill, der „Hitlers Blitzkrieg“ verhöhnte: Deutschland sei sowieso schon verloren, hieß es da. Wirkung hatten diese Blätter nicht – außer, dass sie eben etwas unheimlich waren. Für uns Kinder hatte es fast auch etwas Abenteuerliches. Man war in die Gefahren reingewachsen.
Und zu dieser Zeit zeichnete ich mit meinem Vetter zusammen auch noch wilde Luftkämpfe. Er hatte einen Taschenkalender, in dem die deutschen, englischen und französischen Fliegertypen abgebildet waren, was wir für unsere Zeichnungen weidlich ausgeschöpft haben.
Ernst wurde es aber am 11. März 1943. Und zwar richtig, auch auf dem Sonnenberg. Auch zuvor waren schon Bomben auf die Stadt gefallen, vor allem im November 1942. Aber an diese schreckliche März-Bombennacht nun kann ich mich noch gut erinnern. Ich war damals ein 14jähriges Mädchen.
Man hat schon geschlafen. Plötzlich haben die Sirenen geheult. Bald darauf hat die Flak wild losgeschossen. Also mussten die Flugzeuge schon über Stuttgart sein. Wir sind dann schnell in unseren Luftschutzkeller. Der war direkt neben der Garage. Meine Tante Liesel ging durch die Garage raus ins Freie und hat gesehen, wie die „Christbäume“ am Himmel standen. Die vorausfliegenden Flugzeuge hatten diese Leuchtschirme zur Markierung des Zielgebietes abgeworfen. Tante kam zurück in den Luftschutzkeller und sagte „Kein gutes Zeichen, die setzen die Christbäume sicherlich nicht zum Vergnügen“.
Und dann ging es tatsächlich los. Das Sirren und Heulen der Bomben war laut zu hören. Und danach diese schweren Detonationen. Der Luftdruck hat auch gleich die Fenster unseres Schutzraumes reingedrückt. Auch die Garagentür wurde durch den Luftdruck aufgerissen. Wir lagen sozusagen im Durchzug und drückten uns nahe an die Hauswand.
Als der Angriff vorbei war, sprach es sich in der Nachbarschaft schnell herum, dass Vaihingen und die Kaltentaler Schlossbergsiedlung in jener Nacht des 11. März 1943 besonders betroffen gewesen waren. Aber auch den Sonnenberg hatte es erwischt. So waren bei uns und in der Umgebung alle Dächer verschoben. Die Dachziegel sind hochgeflogen und wieder runtergefallen. Ein Nachbar, der gerade auf Urlaub war, half uns, sie wieder zurecht zu rücken. Ich hatte dabei Spaß an dem ungewohnten Ausguck zwischen den Dachlatten. Die kaputten Fenster kamen auf einem Wägele zum Glaser nach Möhringen. Bis sie repariert waren, hat man alles mit Pappkarton verschlossen. Dabei war es im März noch ziemlich kalt.
Tante Liesl ist mit ihrem kleinen Sohn Heinz gleich am Morgen nach dem Angriff wieder nach Jena zurückgereist. „Das, was hier passiert, kann jederzeit auch in Jena passieren. Ich muss heim zu meinen Kindern“. Sie hatte ja noch zwei weitere, etwas ältere Kinder.
Die Mörike-Schule war in dieser Nacht auch heftig in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Schule fiel aus. Bei uns auf dem Sonnenberg war ein Haus in der damaligen Bismarckstraße (heute Feuerreiterweg) völlig zerstört. Nur noch ein Schutthaufen. Mit meiner Box, die ich kurz vorher zur Konfirmation geschenkt bekommen hatte, machte ich Aufnahmen von dem zerstörten Haus. Obwohl das natürlich streng verboten war. Ich habe mich dann hingelegt – ich hatte ja eine schlaflose Nacht hinter mir – bis ich erschreckt auffuhr: wieder eine schwere Detonation! Etwa eine Stunde, nachdem ich auf dem Trümmerhaufen zum Fotografieren gestanden war, war erneut eine Bombe darunter losgegangen. Ob das ein Blindgänger oder ein Zeitzünder war, weiß ich nicht. Denn manche Bomben waren mit einem Zeitzünder versehen. Der sollte die Bombe absichtlich erst später zur Explosion bringen, um bei der Suche nach Überlebenden und den Aufräumarbeiten weitere Menschen zu töten.
Tote hat es in dem Haus glücklicher Weise keine gegeben. Eigentlich war das ein Wunder. Die alte Frau Boscher war mit ihrer Haushälterin verreist. Auch sonst gab es keine weiteren Toten in der Nachbarschaft. Alle haben in ihren Kellern überlebt. Bunker hatte es im Sonnenberg noch keine. Nach diesem Bombenangriff hat man beschlossen, die Stollen zu bauen. Jeder musste mithelfen, um danach das Anrecht zu haben, dort Schutz zu suchen. Auch mein Vater, wenn er zuhause war. Einmal kam er mit zerrissener Hose heim. Ein anderer hat ihn mit der Spitzhacke aus Versehen von hinten getroffen. Auch ich als junges Mädchen musste die Erde mit Schaufeln auf die Loren heben. Das war eine schwere Arbeit. Die Stollen wurden von Fachleuten mit Presslufthämmern in den Berg getrieben. Vielleicht waren auch Kriegsgefangene dabei. Das weiß ich nicht mehr.
Meine Mutter war, da keine kleinen Kinder mehr zu versorgen gewesen waren, zur Fabrikarbeit verpflichtet worden. In der Munitionsfabrik in Möhringen, der damals kriegsverpflichteten Hansa, hatte sie mit anderen Damen und mit ukrainischen Mädchen zusammen an langen Tischen sitzend Geschossteile prüfen müssen. Ich habe sie dabei einmal besucht. Sie hat mir erzählt, wie die jungen Ukrainerinnen bei der Arbeit gesungen haben, was für alle die Arbeit etwas freundlicher gemacht hat. Die monotone Handbewegung jedoch führte dann bei meiner Mutter zu einer Sehnenscheidenentzündung, die die Betriebsärztin trotz der von der Hausärztin verordneten Hand-Gipsschale nicht für eine Dispens anerkennen hat wollen.
Dieser Stollen war nun oberhalb der sogenannten Schiwiese, unterhalb dem (heutigen) Feuerreiterweg. Ganz am Ende, unten am Wiesenhang hinter dem letzten Haus war der Eingang. Der Stollen hatte eine langgestreckte U-Form mit zwei kürzeren Eingängen. Damit es immer einen Notausgang gab, wenn je der eine zugeschüttet sein sollte. Die Eingänge sind um doppelte Ecken gegangen, um den Luftdruck zu brechen. Vielleicht gute zwei Meter hoch und drei Meter breit war er. Kein Beton, sondern alles nur mit Holz ausgekleidet. Die Eingänge waren vielleicht sieben Meter lang. Im langen Hauptgang waren auf beiden Seiten Sitzbänke mit Truhen-Unterbau, in denen man überlebenswichtige Dinge unterbringen konnte, wie Wäsche, Besteck, wichtige Unterlagen. Der Bauplan unseres Hauses war auch mit dabei. Ich hatte auch meine mir wertvollsten Bücher und mein Briefmarken-Album da drin. Leider waren danach alle gummierten neue Sondermarken durch die Feuchtigkeit festgeklebt. Sichern konnte man die Truhen mit einem Vorhängeschloss.
An den Angriff vom 24. auf den 25. Juli 1944 erinnere ich mich deutlich. Da hat die Flak sogar schon geschossen, bevor die Sirenen losgingen. Das war sehr ungewöhnlich. Wir sind regelrecht aus dem Bett rausgeflogen. Und zur selben Zeit hat man auch schon die Flugzeuge gehört. Die kamen in großen Geschwadern angeflogen. Der Motorenlärm war erschreckend stark. Man bekam ein Gehör dafür, ob es hochfliegende Geschwader oder niedere angreifende Anflüge waren.
Wir waren gerade aus der Kinderlandverschickung in Freudenstadt, sozusagen aus der Geborgenheit, zurückgekommen. Dort habe ich die Bomber-Pulks bei Tag gesehen. Der Anblick der unzähligen silbernen Flugzeuge am Himmel war erschreckend gewesen, zum Anschauen natürlich auch interessant und aufregend. Aber wo werden sie wieder Angst und Tod bringen. Es war ein beklemmendes Gefühl. Die Formationen, die man über Freudenstadt hat fliegen sehen, waren meist im Anflug auf München.
Nun also wie schon gesagt, an diesem 24. Juli begann es geradezu apokalyptisch. Alles brach gleichzeitig über uns herein. Die Flak feuerte wütend in den nächtlichen Himmel, die Sirenen heulten und die Detonationen donnerten – noch während man aus dem Bett gesprungen ist. Der Keller bebte und wackelte. Das Licht ging aus und die Fenster flogen rein. Meine Großmutter, meine Mutter, eine Tante und ich lagen vor Angst auf dem Boden des Kellers. Auch die Untermieterin lag mit dabei und hat sich in ihrer Todesangst an meinem Bein festgekrallt. Wir haben alle gedacht, es ginge jetzt wirklich zu Ende und waren bereit zu sterben.
Wir haben unbeschadet überlebt.
Leider hatten nur ein paar Meter weiter andere Menschen nicht dieses Glück. So gab es in der Nachbarschaft mehrere Tote. Die Bewohner vom Dahlienweg 5 (heute Noltenweg) haben im gegenüberliegende Haus Dahlienweg 6 Schutz gesucht. Sie dachten, dass der Keller dort sicherer sei. Aber dieses Haus hat einen Volltreffer bekommen und alle vier Personen waren tot. Das waren die Detonationen, die wir im Keller auf dem Boden liegend gehört hatten. Das war ganz tragisch. Mein Vater holte die Familie meiner Freundin aus dem dortigen durchgeblasenen Nachbarhaus für die Nacht zu uns.
An was ich mich auch erinnere war Folgendes. Die Wasserzufuhr und die Stromleitungen funktionierten nach diesen Juliangriffen längere Zeit nicht, und somit auch nicht die Sirenen. Um nun vor neuen Feindeinflügen zu warnen, die über den sogenannten Drahtfunk gemeldet worden waren, schlug der Luftschutzwart in unserer Gegend mit einem Hammer ausgiebig an ein auf seinem Balkon aufgehängtes Stück Eisenbahnschiene. Man schlief in den Kleidern in diesen Nächten. Und war sofort bereit. Für die Wasserversorgung sind dann Tankwagen durch die Straßen gefahren und man konnte seine Eimer mit diesem klaren Nass auf Vorrat füllen. Die Beeren im Garten waren reif und wir bauten aus Backsteinen eine Feuerstelle, auf der wir die Marmelade kochten.
Ab diesem Angriff im Juli 1944, dem unmittelbar drei weitere Angriff gefolgt sind, sind wir dann auch in den Stollen im Feuerreiterweg gegangen. Er war inzwischen fertig geworden. Eigentlich war das ganz kommunikativ. Man hatte feste Sitzplätze. Und so waren immer die gleichen Leute um einen herum, man teilte die Sorgen miteinander. Aber wenn es dann draußen gerumpelt hat von der Flak, wurde es ganz still im Stollen. Die Angst war immer unser Begleiter in dieser Zeit. Bomben sind nach dem Angriff im Juli, so meine ich mich zu erinnern, aber keine mehr auf dem Sonnenberg gefallen. Die Angriffe hatten ja sowieso immer der Stadt oder der Industrie gegolten, nicht den locker besiedelten Gebieten. Das waren eher Ungenauigkeiten der Feindflieger. Aber davon ahnte man nichts. Man fühlte sich einfach direkt bedroht und angegriffen.
Für meine Großmutter waren diese nächtlichen Gänge in den Stollen immer sehr mühselig. Man muss sich diese Zeit vergegenwärtigen: Die Straßen waren stockfinster, keine Straßenbeleuchtung, kein Lichtschein aus den verdunkelten Häusern. In den ersten Kriegsjahren trug man runde Anstecker am Mantel, die eine schwefelige-fluoreszierende Leuchtwirkung hatten, um Zusammenstöße zu vermeiden. Ich glaube, sie wurden dann wegen gesundheitlichen Bedenken wieder abgeschafft. Mondnächte erleichterten diese nächtlichen Stollenmärsche etwas. Aber man sah in solchen Nächten noch viel sorgenvoller an den Himmel, weil wohl auch die Feindfliegern die gute Ziel-Sicht nützen würden. Großmutter hat dieser nächtliche Stollen-Weg sehr angestrengt. So hat sie manchmal 10 Minuten gebraucht. Oft bin ich mit ihr zusammen gegangen, aber ich war furchtbar nervös und es fiel mir schwer, nicht zu springen. Eigentlich war sie trotz ihres Alters nicht gebrechlich und durchaus in guter Verfassung. Aber die ganze Aufregung mit den Sirenen und dem Schießen der Flak war für sie ganz schlimm. Und es musste halt alles sehr schnell gehen. Denn nach den Erfahrungen des Angriffes vom Juli musste man immer damit rechnen, dass die ersten Bomben gleich nach dem Luftalarm fallen. Und dann musste ja jeder noch sein Gepäck tragen. Damit dies für Großmutter einfacher wurde, hat sie sich selbst aus einer alten bunten Decke einen Überzug mit Trägern gemacht. Damit konnte sie den Koffer als Rucksack verwenden. Als mein Vater mehr zuhause sein konnte, ist er nie mitgegangen in den Stollen. „Man verlässt sein Haus nicht in Gefahr“, hat er immer gesagt. Und von da an blieb auch die Großmutter bei ihm.
Nach den Juliangriffen war klar, dass es keine Schule mehr in Stuttgart geben würde. Sie waren nach diesen vier Nächten alle zerstört. So mussten sich alle Schülerinnen, die nicht mehr im Evakuierungsalter waren, also ab 15, 16 Jahren, sich zu einem Arbeitseinsatz melden. Immerhin hatten wir die Wahl. Entweder Fabrikarbeit oder Landwirtschaft.
Meine Freundinnen und ich haben uns dann auf dem Fasanenhof zur Landarbeit gemeldet. Landarbeit war uns lieb, da wir alle mit Gärten aufgewachsen waren. Wir waren zu sechst und unsere Anführerin war ein junges Mädchen, die dort nach der Schule ihr „Landdienst-Jahr“ gemacht hat. Dieser Fasanenhof, auf dem später die heutige Fasanenhof-Siedlung gebaut wurde, war eine große Staatsdomäne. Im Viereck angelegt: Wohnhaus, große Scheuer, Viehstall. Es war gutes Filder-Bauernland, viele Äcker und Vieh. Da haben wir dann der netten Familie Ergenzinger, den damaligen Pächtern, geholfen. Zunächst bei der Apfelernte, wobei ich beim Übersteigen einer Viehkoppel mit der Wade in einem rostigen Stacheldraht hängen blieb und stürzte, was eine erste Tetanusspritze zur Folge hatte. Danach kam die Rüben-Ernte. Die Zuckerrüben, die, wie ich meine mich zu erinnern, etwas schwer aus dem Boden zu ziehen waren, dann die Futterrüben bei Regen und in nasser Erde. Stück für Stück!
Was jedoch eine tägliche Freude war, war das wunderbare und üppige Essen, das es gegeben hat. Besonders gerne erinnere mich an die „Pfannebäusche“, große Fasnachtsküchle mit Apfelmus oder auch Kraut mit Wurst oder Fleisch. Und vor dem Feierabend hat es dann nochmals ein Vesper gegeben. Es ist einem so gut in Erinnerung geblieben, weil das Essen daheim inzwischen sehr einseitig und schmal geworden war.
Als es dort nichts mehr zu helfen gab, mussten wir wieder irgendwo in eine Schule. Wir haben uns für Reutlingen entschieden, wurden dort – ziemlich als Großstadt-Außenseiter – in die dortigen Klassen aufgenommen.
Gefährlich waren die wochenendlichen Heimfahrten. Die Beschießung der Züge durch feindliche Tiefflieger war eine neue Terror-Methode geworden. Es hat auch uns erwischt. Bei Bempflingen ratterten Maschinengewehre über uns dem Zug entlang. Ich sehe noch das endlos lange Feld vor mir, das wir nach dem Halt des Zuges meinten überrennen zu können, um im fern liegende Wald Schutz zu finden. Man wurde jedoch aufgerufen, sich nicht zu entfernen, der Zug würde weiterfahren. In Nürtingen wurden die